Gehirnerschütterung beim Surfen

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Als Surfer solltest du dich mit der Gehirnerschütterung auskennen. Denn sie ist häufiger als du denkst, schwer zu erkennen und kann sogar tödlich verlaufen. Die Besonderheit beim Surfen: Bereits eine kurze Bewusstlosigkeit kann zum Ertrinken führen.

Ich habe mit „Surfing Medicine International“ eine kleine Umfrage zur Häufigkeit von Gehirnerschütterungen beim Surfen durchgeführt. 27 % der 59 Teilnehmer gaben an, sich bereits eine Gehirnerschütterung beim Surfen zugezogen zu haben!

Das überrascht nicht, denn Gesicht, Kopf und Nacken sind besonders häufig von Surfverletzungen betroffen – sie machen 34% der Verletzungen aus (1). Zum Glück handelt es sich meistens „nur“ um Schnittverletzungen, Platzwunden oder Prellungen. Die große Schwierigkeit besteht darin, solche oberflächlichen Verletzungen von Verletzungen deines Gehirns zu unterscheiden.

In diesem Beitrag erfährst du, welche Warnzeichen für eine umgehende Behandlung in einem Krankenhaus sprechen, wann du nach einer Gehirnerschütterung wieder surfen kannst und warum Helme fürs Surfen eine gute Idee sind. 

Was ist eine Gehirnerschütterung?

Durch eine Krafteinwirkung auf den Kopf kommt es bei der Gehirnerschütterung zu einer Funktionsstörung oder einer strukturellen Schädigung des Gehirns. Der Unfallhergang ist meistens ein direkter Kopfanprall. Außerdem kann durch ein plötzliches Abbremsen des Kopfes das Gehirn gegen die Schädelinnenseite prallen.

Als Symptome können Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Gedächtnisverlust sowie Bewusstseinsverminderungen auftreten. Bewusstseinsverminderung können bei der Gehirnerschütterung von Benommenheit bis hin zur vorübergehenden Bewusstlosigkeit reichen.

Der medizinisch korrekte Ausdruck für eine „normale“ Gehirnerschütterung heißt übrigens leichtes Schädel-Hirn-Trauma. 

Schwerere Verletzungen des Gehirns sind selten und gehen mit einer stärkeren Bewusstseinsminderung bis hin zum lebensbedrohlichen Koma einher. Besonders gefährlich sind Hirnblutungen: Durch das Zerreißen von Blutgefäßen im Schädel kann es zu Blutungen kommen, die das Gehirn zusammendrücken. Je nach Geschwindigkeit der Blutung kann es Stunden bis wenige Tage dauern, bis eine Hirnblutung Symptome macht.

Wie kann eine Gehirnerschütterung beim Surfen erkannt werden?

Eine Gehirnerschütterung darf nur eine Ärztin oder ein Arzt nach gründlicher Untersuchung diagnostizieren. Denn nach einem Kopfanprall kann es zu bleibenden Schäden und sogar zum Tod kommen.

Doch wenn du in Sumatra das Riff küsst, kann es unmöglich sein, einen Arzt zu finden. Gut, wenn du dann weißt, wie du eine Gehirnerschütterung auch selbst erkennen kannst. 

Da durch eine Gehirnerschütterung das Urteilsvermögen eingeschränkt sein kann, sollte immer eine andere Person, zum Beispiel dein Surfbuddy, die Beurteilung vornehmen.

Für die Beurteilung von Sportlern nach einem Kopfanprall wurde das Concussion Recognition Tool entwickelt. Dabei handelt es sich um eine Taschenkarte, die dabei hilft, keine Gehirnerschütterung zu übersehen. Du kannst dir die Karte hier im praktischen Taschenformat ausdrucken. Ich empfehle dir, das Concussion Recognition Tool zum festen Bestandteil deiner Reiseapotheke zu machen.

Wenn das Tool Schritt für Schritt durchgegangen wird und keiner der Punkte zutrifft, ist eine Gehirnerschütterung fast ausgeschlossen. Wenn einer der Punkte zutrifft, sollte eine Gehirnerschütterung vermutet werden.

Die Taschenkarte hilft beim Erkennen von Gehirnerschütterungen beim Surfen

Was tun bei einer Gehirnerschütterung im Surfurlaub?

Dein Surfbuddy hat unfreiwillig Bekanntschaft mit dem Longboard eines anderen Surfers gemacht. Er hat eine große Beule an der Stirn, ihm ist etwas schwindlig und er hat leichte Kopfschmerzen. Nachdem ihr die Taschenkarte durchgegangen seid, vermutet ihr (zu Recht!) eine Gehirnerschütterung.

Die nächste Frage ist jetzt: muss der Betroffene in ein Krankenhaus?

Da nicht überall schneller Zugang zu einem Krankenhaus besteht, kann das den Abbruch des langersehnten Surfurlaubs bedeuten – keine verlockende Option. Doch denk daran: Nach einem Kopfanprall können bleibende Schäden bis zum Tod drohen.

Deshalb sollte bei dieser Entscheidung schrittweise anhand des Concussion Recognition Tool vorgegangen werden.

Zuerst sollten gründlich die rot hervorgehobenen Warnzeichen durchgegangen werden. Trifft eines der Warnzeichen zu, muss der Betroffene so schnell wie möglich in ein Krankenhaus transportiert werden.

Wenn keines der Warnzeichen zutrifft, muss als nächstes der Bewusstseinszustand beurteilt werden.

Der Bewusstseinszustand ist nur dann normal, wenn der Betroffene die Augen von selbst offenhält, zu Ort, Zeit, Person und Situation vollständig orientiert ist, normal spricht und auf Aufforderung gezielte Bewegungen ausführen kann. 

Bei Schläfrigkeit, Verwirrung, Desorientiertheit, verwaschener Sprache oder eingeschränkter Koordination ist der Bewusstseinszustand reduziert. Bei jedem Verdacht auf eine Einschränkung des Bewusstseinszustands muss so schnell wie möglich eine ärztliche Untersuchung stattfinden. Wenn dein Surfbuddy zum Beispiel etwas schläfrig ist und nicht genau sagen kann, wo ihr gerade seid – ab in ein Krankenhaus!

Im Krankenhaus kann eine CT-Untersuchung des Schädels durchgeführt werden, um eine Hirnblutung auszuschließen. Außerdem können Betroffene engmaschig überwacht werden.

Im Zweifel sollte immer möglichst zeitnah ein Arzt aufgesucht werden!

In großen Wellen wie dieser ist das Risiko für eine Gehirnerschütterung beim Surfen besonders groß.
Selbst wenn du nicht jeden Tag solche Wellen surfst –
eine Gehirnerschütterung beim Surfen ist häufiger als du denkst.

Was muss nach einer Gehirnerschütterung beim Surfen beachtet werden?

Die folgenden Verhaltensregeln sollten immer beachtet werden, wenn eine Gehirnerschütterung beim Surfen vermutet wird:

  1. Nicht unbeobachtet lassen. Es kann zu einer Verschlechterung der Symptome kommen, zum Beispiel durch eine Hirnblutung. Daher sollten Betroffene über einen Zeitraum von 48 Stunden beobachtet werden – eine Verschlechterung kann häufig nur von anderen bemerkt werden! Das heißt auch, Betroffene nachts alle 3 Stunden zu wecken und anzusprechen.
  2. Die folgenden allgemeine Maßnahmen streng einhalten:
    • Kein Alkohol, Cannabis oder andere Drogen
    • 24-48 Stunden abschirmen vor intensiven Reizen (z.B. Sonnenlicht, Lärm, Bildschirme)
    • Auf ausreichende Trinkmenge achten
    • Körperliche und geistige Schonung, Stress vermeiden (z.B. Reisen, Surfen)

Wann kannst du nach einer Gehirnerschütterung wieder Surfen?

Endlich bist du für einige Wochen am Meer und schon in der dritten Session ziehst du dir eine Gehirnerschütterung zu. Nach zwei Tagen Surf-Pause schickt ein kräftiger Swell cleane Lines an deinen Spot – kannst du wieder Surfen?

Du solltest wissen, dass das Risiko einer weiteren Verletzung bei Sportlern nach einer Gehirnerschütterung deutlich erhöht ist (2). Denn auch wenn du dich wieder gut fühlst, können deine Koordinations- und Reaktionsfähigkeit eingeschränkt sein. Beim Surfen ist das sehr riskant.

Doch wie lange halten diese Einschränkungen an?

Eine aktuelle Studie mit fast 600 Patienten zeigt, dass sich weniger als die Hälfte der Patienten mit einer gewöhnlichen Gehirnerschütterung innerhalb von 2 Wochen vollständig erholt haben (3). Die Studie lässt außerdem vermuten, dass die Wahrscheinlichkeit für einen verzögerten Heilungsverlauf und Langzeitfolgen steigt, wenn keine ausreichende Schonung erfolgt. Die Autoren schlussfolgern, dass die Rückkehr zum Sport frühestens nach 3 Wochen erfolgen sollte. 

Die ärztliche Empfehlung ist also ganz klar: nach einer Gehirnerschütterung solltest du 3 Wochen lang nicht surfen und erst dann wieder ins Wasser, wenn sich alle Krankheitszeichen vollständig zurückgebildet haben. Sonst drohen weitere Verletzungen oder Langzeitfolgen, die deine Lebensqualität einschränken können.

Nach einer Gehirnerschütterung beim Surfen solltest du 3 Wochen auf das Surfen verzichten. Selbst wenn solchen Wellen locken.
Selbst bei großartigen Wellen solltest du nach einer Gehirnerschütterung tapfer sein und für 3 Wochen aufs Surfen verzichten.
Credit: Surf Gear Ltd (https://www.cheapsurfgear.com/)

Was können die Langzeitfolgen einer Gehirnerschütterung sein?

In den letzten Jahren wird zunehmend über die teils schweren Langzeitfolgen von Gehirnerschütterungen berichtet. Der hawaiianische Surfer Albee Layer hat in den sozialen Medien viel über seine Erfahrungen mit den Folgen seiner Gehirnerschütterung beim Surfen berichtet. 

Doch was sagt die Forschung?

Studien zu den langfristigen Folgen von Gehirnerschütterungen bei Sportlern wurden 2017 in einer Übersichtsarbeit zusammengefasst (4)

Häufig beschriebene Langzeitfolgen waren demnach Kopfschmerzen, Schwindel und Müdigkeit, aber auch Reizbarkeit, emotionale Instabilität, Nervosität und Unsicherheit.

In speziellen MRT-Untersuchungen des Gehirns konnten sogar Veränderungen der Gehirnaktivität nachgewiesen werden.

Einige Patienten benötigten in der Folge aufwändige Rehabilitationsprogramme, Psychotherapie oder sogar Medikamente gegen Depression.

Du siehst: auch nach einer leichten Gehirnerschütterung solltest du dich unbedingt schonen, um den Langzeitfolgen vorzubeugen – auch wenn das bedeutet, dass du auf eine epische Session verzichten musst.

Mit Helm surfen?

In anderen Extremsportarten konnten sich Helme flächendeckend durchsetzen. Im Lineup sind Surfhelme aber sehr selten. 

Doch es gibt auch Beispiele von Surfern, die die logische Konsequenz aus ihren eigenen Erfahrungen gezogen haben. Seit seiner Gehirnerschütterung trägt der Pro-Surfer Albee Layer beim Surfen meistens einen Helm.   

Und auch bei CT-Events der WSL tragen die Profis vermehrt Helme. Owen Wright, einer der besten Tube-Surfer der Welt, gewann 2019 den Tahiti Pro Event – und trug während des gesamten Contests einen Helm.  

Er hatte 2015 ein Schädel-Hirn-Trauma beim Surfen von Pipeline erlitten. Bis er wieder ins Wasser konnte vergingen Monate.

Der bekannteste Hersteller von Surfhelmen ist Gath Sports aus Western Australia. Das Unternehmen wurde bereits 1989 vom ehemaligen Pro-Surfer Rick Gath gegründet. Der „Neo Hat“ liegt eng an und macht auch beim Duck Dive kaum Probleme.

Übrigens: Ein guter Helm für Surfer schützt dich auch vor dem Surfer’s Ear und gefährlichen Hautschäden an der Kopfhaut.

Ich habe den Gath „Neo Hat“ getestet. Du denkst darüber nach dir einen Surf Helm zuzulegen? Einen ausführlichen Beitrag zum Thema Surfen mit Helm und den Testbericht findest du hier.

Quellen:

  1. McArthur K et al, Epidemiology of Acute Injuries in Surfing: Type, Location, Mechanism, Severity, and Incidence: A Systematic Review, Sports (Basel), 2020
  2. Cross M, Professional Rugby Union players have a 60% greater risk of time loss injury after concussion: a 2-season prospective study of clinical outcomes, Br J Sports Med., 2016
  3. Kara S et al, Less Than Half of Patients Recover Within Two Weeks of Injury After a Sport-Related Mild Traumatic Brain Injury: A 2-Year Prospective Study, Clin J Sport Med., Mar 2020
  4. Makdissi M et al, Approach to investigation and treatment of persistent symptoms following sport-related concussion: a systematic review, Br J Sports Med., 2017

Dieser Beitrag behandelt ein Gesundheitsthema und dient allein der Informationsvermittlung. Er darf nicht zur Selbstdiagnose verwendet werden und ersetzt in keiner Weise die individuelle Diagnose und Therapieempfehlung durch einen Arzt. Bitte beachte auch den Gesundheits- und Rechtshinweis und suche bei Gesundheitsproblemen immer einen Arzt auf.