Reefcut auf Sri Lanka – Ein Erfahrungsbericht

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Was sollte ich bei einem Reefcut tun? Mit dieser Frage werden die meisten Surferinnen und Surfer irgendwann konfrontiert – spätestens, wenn warme Lineups in den Tropen locken. In diesem Beitrag berichtet die Medizinstudentin und Surferin Isabel Wagner von einem infizierten Reefcut auf Sri Lanka. Gemeinsam haben wir für euch das Wichtigste zum Thema Reefcut zusammengefasst.

Ein infizierter Reefcut auf Sri Lanka…

„Hey Isabel, schau‘ mal, glaubst du, dass ich damit ins Krankenhaus muss?“ Mit dieser Frage streckt mir mein Surfbuddy seinen Fuß entgegen und blickt mich fragend an. Obwohl ich im vollem Urlaubsmodus bin, lässt der Anblick jegliche Alarmglocke in meinem Mediziner-Gehirn im Sturm läuten: 

Ein hochroter, durch Schwellung gespannter Männerfuß mit einer kleinen Schnittwunde – und auch noch deutlich überwärmt.

Nachdem wir täglich an diversen tropischen Reef Breaks gesurft haben, können sich die meisten von euch sicherlich vorstellen, wo mein Kumpel sich diesen Cut zugezogen hat.

Aber wie konnte sich ein unscheinbarer, kleiner Reefcut innerhalb weniger Tage in dieses schwere Krankheitsbild wandeln?

Die Verletzung „Reefcut“ verbinden vermutlich viele Surfer zunächst mit den fies aussehenden Verletzungen der Surf Pros an weltberühmten Reef Breaks wie Teahupoo in Tahiti. Die kleinen Reefcuts und Abschürfungen, die man sich als „Standard Urlaubs-Surfer“ zuzieht, wirken im Vergleich hierzu meist unspektakulär. Doch sind sie damit nicht weiter beachtenswert und ungefährlich?

Nachdem ich während meines letzten Surftrips mit der oben geschilderten Situation konfrontiert wurde und ich selbst einige unfreiwillige Andenken mit nach Deutschland gebracht hatte, habe ich für euch einiges Wissenswertes über die Verletzung „Reefcut“ und ihre Behandlung zusammengestellt. 

In den Tropen besteht ein besonders hohes Risiko für die Infektion von Reefcut.
Die Tropen locken mit perfekten Reefbreaks und warmem Wasser –
doch an tropischen Destinations solltest du besonders gewissenhaft auf kleinere Cuts und Wunden achtgeben.

Was ist überhaupt ein Riff? 

Ein Riff ist allgemein gesprochen eine Felserhebung (Felsriff) oder Ansammlung von biogenem Gestein nahe dem Meeresspiegel, welches ein bestimmtes Ökosystem darstellt. Unterscheiden kann man Riffe in verschiedene Unterarten wie z.B.  Schwammriffe, Muschelriffe und die bekanntesten Riffe, die Korallenriffe. Die Korallenriffe werden von riffbildenden Nesseltieren gebildet und stellen den Lebensraum für eine große Anzahl von Pflanzen und Tieren dar. 

Alles in allem sind Riffe komplexe Ökosystemem – durch den Klimawandel geraten sie leider immer mehr aus dem Gleichgewicht.

Warum ist ein Reefcut gefährlich?

So wichtig Korallenriffe für die Meere sind, so schmerzhaft und gefährlich können sie für uns Surferinnen und Surfer sein. Denn die harten und scharfkantigen Riffstrukturen führen bei unfreiwilligen Kontakten leicht zu Verletzungen. Vor allem Reefcuts, also Schnittverletzungen und Schürfwunden, gehören zu den häufigeren Surfverletzungen

Besonders gemein: Bei einem Reefcut an lebenden Riffen verbleiben zusätzlich oftmals kleine Mengen an tierischen Eiweißen und kalkhaltigen Material in den Wunden. Das stellt eine erhöhte Gefahr für gefährliche Wundinfektionen dar. Und auch eine simpel wirkende Abschürfung kann eine Eintrittspforte für Krankheitserreger darstellen – und von fiesen Erregern wimmelt es selbst im klarsten Ozeanwasser geradezu.

Das Problem: Selbst eine anfangs oberflächliche Infektion kann sich örtlich schnell ausbreiten und in manchen Fällen sogar zu einer lebensgefährlichen Blutvergiftung führen. 

Mit ein paar Tricks kann man solche gefährlichen Komplikationen in vielen Fällen verhindern – im nächsten Abschnitt erfährst du was du tun kannst.

Ein Surfer startet eine Welle an. Selbst bei kristallklarem Wasser kann es zu Infektionen eines Reefcuts kommen.
Auch im aquariumklaren Wasser wimmelt es nur so von Erregern.
Daher sollten Reefcuts nach jedem Surf gründlich gereinigt werden.

Welche Erste-Hilfe Maßnahmen sind bei einem Reefcut sinnvoll?

Die Erstversorgung eines Reefcuts unterscheidet sich von Situation zu Situation. Gerade bei kleinen Reefcuts gibt es allerdings ein paar allgemeine Tipps, um mit wenig Material und Aufwand Komplikationen möglichst gut vorzubeugen und den Reefcut schnell heilen zu lassen.

Praktisches Vorgehen nach einem frischen Reefcut:

  • Die Wunde juckt oder brennt stark und du bist auf ein lebendes Riff gefallen? Um Gifte von lebenden Korallen oder anderen Nesseltieren zu neutralisieren, kannst du die Wunde vor allen anderen Maßnahmen mit Essig spülen. Damit kannst du nicht nur die Nesselzellen deaktivieren, sondern auch Korallenkalk auflösen. Wenn der Cut nicht besonders juckt oder brennt, oder du kein Essig zur Hand hast, kannst du dir diesen Schritt auch sparen.
  • Spüle die Wunde anschließend großzügig mit sauberem Trinkwasser aus. Dafür kannst du ein Loch in eine geschlossene Trinkwasserflasche bohren und durch Druck auf die Flasche einen kräftigen Strahl erzeugen. Viel hilft viel! Um sichtbare Verunreinigungen wie Korallenreste zu entfernen kannst du die verletzte Stelle gründlich mit einer sauberen Bürste oder Kompresse reinigen – gut geeignet sind unbenutzte, weiche Zahnbürsten.
  • Du kannst nach der Reinigung eine dünne Schicht antiseptische Wundsalbe auf die verletzte Haut auftragen (z.B. jod- oder chlorhexidinhaltige Creme). Vorsicht: jodhaltige Creme hinterlässt unschöne Flecken auf Textilien und der umgebenden Haut. Anschließend kannst du die Wunde mit einer sterilen, trockenen und nicht-haftenden Wundauflage abdecken. Falls du keine antiseptische Wundsalbe oder Abdeckung zur Hand hast, kannst du die Wunde auch an der frischen Luft heilen lassen. Aber Achtung: So kann es leichter zu einer erneuten Verunreinigung der Wunde kommen.
  • Du kannst diese Schritte (Reinigung und anschließende Wundbehandlung mit antiseptischer Creme plus Wundabdeckung) 1-2x täglich wiederholen. Mindestens nach jedem Surf solltest du die Wunde gründlich mit sauberem Trinkwasser reinigen.

Mythos: Limettensaft bei Reefcut

Du hast bestimmt schonmal davon gehört, dass sich Limettensaft zur Desinfektion von Reefcuts eignet. Eigentlich keine schlechte Idee, denn Zitronensäure hat tatsächlich schwache antiseptische Eigenschaften. Zur echten Desinfektion eignet sich Limettensaft jedoch nicht – abgesehen davon, dass Limettensaft höllisch brennt also nicht sehr gewinnbringend. Und noch etwas spricht gegen die Verwendung von Limettensaft: Die Kombination von Limetten und Sonneneinstrahlung kann zu einem sehr starken „Sonnenbrand“ führen. Diese phytophototoxische Dermatitis heißt übrigen auch Margarita-Burn, da sie häufig nach dem Mixen von Margaritas auftritt.

Eine Limette. Limetten eignen sich nicht zur Behandlung eines Reefcuts.
Limetten eignen sich nicht zur Behandlung eines Reefcuts.

Woran erkenne ich, dass ein Reefcut infiziert ist?

Die meisten Reefctus präsentieren sich anfangs nicht wirklich spektakulär und können dich in den meisten Fällen kaum von der nächsten Session abhalten. Da Reefcuts häufig nur kurz bluten und kaum wehtun, sind sie auch schnell wieder vergessen.

Leider weichen ausgedehnte Surfsessions die Haut auf. Weil die Hautbarriere durch den Reefcut bereits verletzt ist, stellt die Verletzung jetzt die perfekte Eintrittspforte für Erreger dar.

Dies kann dazu führen, dass die Verletzung erst anfängt sich bemerkbar zu machen, wenn bereits mehrere Tage ins Land gezogen sind. 

Das typische Bild eines entzündeten oder infizierten Reefcuts sieht dann in der Regel so aus: 

Um die Hautverletzung haben sich eine Rötung und Schwellung gebildet. Außerdem pocht das Wundgebiet und fühlt sich heiß an. Wenn du neben der Wunde auf die Haut drückst tut das weh und die Region ist im Vergleich zur umliegenden Haut wärmer. Zusätzlich tritt vielleicht auch bereits Eiter aus der jetzt infizierten Wunde.

Spätestens dann solltest du medizinische Hilfe aufsuchen.

Ein Reefcut mit beginnenden Entzündungszeichen.
Ein oberflächlicher Cut mit beginnenden Entzündungszeichen: Leichte Rötung, Schwellung und Überwärmung.

Muss ich bei einem Reefcut ein Antibiotikum nehmen? 

Bei den meisten Reefcuts ist ein Antibiotikum schlicht nicht notwendig. 

Trotzdem werden häufig Antibiotikasalben verwendet – diese kann man in vielen Ländern ohne Rezept in der Apotheke kaufen. Der Gebrauch von Antibiotikasalben wird allerdings selbst bei Infektionen eher nicht empfohlen, da sich bei der örtlichen Verwendung von Antibiotika schnell Resistenzen entwickeln können und die Wirkstoffe daher schnell ihre Wirkung verlieren. 

Bei einer Infektion solltest du sowieso professionelle medizinische Hilfe aufsuchen. Die Ärztin oder der Arzt kann dann eine breite Antibiotikatherapie mit Tabletten beginnen. Davor werden idealerweise Wundabstriche genommen, um die Übeltäter genau identifizieren zu können und im Verlauf auf eine zielgerichtete Antibiotikatherapie umstellen zu können.

Antibiotika sind bei infizierten Wunden häufig notwendig und sollten ärztlich verschrieben werden.

Wann sollte ich mit einem Reefcut zum Arzt oder zur Ärztin?

Tiefe Schnitt- oder Stichwunde

Bei tiefen Schnitt- oder Stichwunden ist häufig eine kleine chirurgische Versorgung innerhalb der ersten Stunden notwendig. Dazu gehören eine gründliche Wundreinigung, das Abtrennen von abgestorbenen Hautresten und je nach Wunde ein angemessener Wundverschluss. Ohne örtliche Betäubung kann das ganz schön schmerzfhaft sein. Tiefe Wunden durch Verletzungen an lebendem Riff sollten, wenn überhaupt, dann locker verschlossen werden – das Risiko für eine Wundinfektion ist dann einfach sehr groß. Je nach Situation ist bei manchen tiefen Wunden sogar eine vorbeugende Antibiotikatherapie mit Tabletten sinnvoll. Ohne medizinische Vorerfahrung solltest du die Versorgung eines tiefen Reefcuts daher von vornherein einer Person mit medizinischer Ausbildung überlassen.

Infektion

Auch kleine oder oberflächliche Reefcuts können sich infizieren – sogar, wenn du die Wunde gewissenhaft gereinigt hast. Um schwerwiegende Verläufe frühzeitig zu erkennen und möglichst schnell reagieren zu können, solltest du die Warnzeichen bei Wundinfektionen kennen. Diese Warnzeichen werden auch „Red Flags“ genannt. 

Treten diese Red Flags auf, muss umgehend eine ärztliche Abklärung erfolgen!  Denn lokale Infektionen können sich schnell auf den ganzen Körper ausbreiten und dann lebensgefährliche Komplikationen hervorrufen (z.B. Blutvergiftung, Herzklappeninfektion). 

Red Flags bei infiziertem Reefcut 

  • Abgeschlagenheit bis hin zum Kreislaufzusammenbruch (Ohnmacht)
  • Fieber (Körpertemperatur über 37,5°C)
  • Starke Schmerzen im Bereich der Wunde
  • Zunehmende Schwellung und Erwärmung des Wundgebiets
  • „flammende“ Röte 

Sobald diese Warnzeichen auftreten, heißt es keine Zeit mehr verlieren und in die nächste Notaufnahme. Denn jetzt muss sofort die richtige Behandlung eingeleitet werden. Infektionen mit marinen Erregern können schwere Verläufe hervorrufen und schnell tödlich enden!

Kann ich mit einem Reefcut surfen?

Das Meer ist keine sterile Umgebung ist und Salzwasser kann die Wundheilung zusätzlich verzögern. Daher sollte man streng genommen erst dann wieder ins Wasser, wenn die Wunden komplett verschlossen und verheilt sind. Natürlich ist diese ärztliche Empfehlung nicht immer leicht einzuhalten – gerade dann, wenn der Surftrip zeitlich begrenzt ist. Es kommt hierbei im Endeffekt auf die eigene Risikobereitschaft an. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte mit einem Reefcut nicht surfen gehen. Wer nicht auf die nächste Session verzichten möchte, nimmt das erhöhte Risiko für eine Infektion oder andere Komplikationen in Kauf. Voraussetzung für das Surfen mit Reefcut sind eine gründliche Reinigung nach jedem Surf und die wasserfeste Abdeckung des Reefcuts während der Session. Besonders wichtig: Beim Auftreten der oben beschriebenen Red Flags bei infiziertem Reefcut umgehend ärztliche Hilfe aufsuchen!

Ein Surfer verlässt das Wasser.

Und wie ging es eigentlich mit meinem Surfbuddy weiter? 

Nachdem sich sein Cut bereits infiziert hatte und Red Flags vorlagen (Schwellung, flammende Röte, Überwärmung), war mir klar, dass er in ernsthafter gesundheitlicher Gefahr war. Ich beriet mich zunächst mit einem befreundeten französischen Arzt, den wir vom Surfen kannten. Zusammen entschieden wir uns, unseren Freund bis zu seinem Heimflug in zwei Tagen zu betreuen. Mit einer breiten Antibiotika-Therapie und engmaschiger Wundkontrolle und -versorgung überbrückten wir die Zeit bis zu seinem Abflug. Wir setzten ihn mit gemischten Gefühlen in den Flieger. In Deutschland angekommen folgte er unserer Empfehlung: Keine Zeit verlieren und ab ins Krankenhaus! Die Ärzte vor Ort erkannten den Ernst der Lage und nahmen ihn notfallmäßig zur Behandlung auf. Nach einer chirurgischen Wundbehandlung, Antibiotika über die Vene und regelmäßigen Nachkontrollen geht es meinem Surfbuddy Gott sei Dank wieder gut und sein nächster Surf Trip ist in Planung. 

Dieser Beitrag behandelt ein Gesundheitsthema und dient allein der Informationsvermittlung. Er darf nicht zur Selbstdiagnose verwendet werden und ersetzt in keiner Weise die individuelle Diagnose und Therapieempfehlung durch einen Arzt. Bitte beachte auch den Gesundheits- und Rechtshinweis und suche bei Gesundheitsproblemen immer einen Arzt oder eine Ärztin auf.