Die Seekrankheit – Entstehung, Symptome, Behandlung

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Stell dir vor, du läufst verschlafen aus deiner Kabine aufs Deck des kleinen Surf-Charters. Tiefblaue Wellen brechen über ein perfekt geformtes Riff, während die ersten Sonnenstrahlen die Kronen der Palmen am Strand erleuchten. Ein sanfter Offshore verpasst den warmen Wellenwänden einen letzten Feinschliff. Das Beste: Von anderen Surfern keine Spur. Was folgt ist eine unvergessliche Session mit deinen besten Freunden.

So traumhaft kann ein Bootstrip sein – doch auf Bootsreisen droht ein medizinisches Problem, das die Traumreise in eine Qual verwandeln kann: Die Seekrankheit.

Schnell wird dann das Abenteuer zu einer Tortur und an Surfen ist nicht mehr zu denken. Zum Glück gibt es Möglichkeiten, die Seekrankheit zu behandeln und den Trip zu retten. Was die Seekrankheit eigentlich ist und was Surfer dagegen tun können, erfährst du in diesem Beitrag.

Übrigens: Auch Surfreisende, die nicht mit dem Boot unterwegs sind, kann die Krankheit erwischen. Denn auch wer mit dem Chicken-Bus durch Zentralamerika reist oder mit einer kleinen Propellermaschine in Indonesien zu einer entlegenen Insel fliegt, kann unter der Reisekrankheit leiden.

Was ist die Seekrankheit?

Die Seekrankheit und die Reisekrankheit sind im Grunde die gleiche Krankheit. Im medizinischen Fachjargon werden sie auch „Kinetosen“ genannt. Der englische Ausdruck ist „motion sickness“. Es handelt sich um eine Krankheit, die durch Bewegung im Raum hervorgerufen wird. Typischerweise tritt sie auf Bootsreisen oder Busfahrten auf kurvigen Straßen auf.

Betroffene leiden sehr unter den Symptomen.

Das Bild zeigt eine Propeller Maschine auf den Malediven. Auch in Flugzeugen oder Bussen kann es zur Reisekrankheit kommen.
Auch Reisen in kleinen Propeller-Maschinen oder Überlandbussen können schnell zur Reisekrankheit führen.

Was sind die Symptome der Seekrankheit?

Die Symptome der Seekrankheit können für Betroffene sehr quälend sein.

Typisch sind Übelkeit und Erbrechen, Schwindel, Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Appetitverlust und sozialer Rückzug. Diese Symptome können so schwer werden, dass Betroffene selbst einfache Aufgaben an Deck nicht mehr durchführen können – in bestimmten Situationen kann das weitreichende Konsequenzen für die gesamte Crew haben.

Wenn die Seekrankheit nicht behandelt wird, kann das ständige Erbrechen zu einem Austrocknen des Körpers und sogar zu gefährlichen Veränderungen der Blutsalzkonzentrationen führen. 

Ein Surfer sitzt auf einem blauen Boot in Indonesien. Auf Bootsreisen droht die Seekrankheit / Reisekrankheit.
Die meisten Surftrips gehen mit anstrengenden Reisen einher.
Gut zu wissen, was man bei Seekrankheit und Reisekrankheit tun kann.

Wie entsteht die Seekrankheit?

Es gibt unterschiedliche Erklärungsansätze für die Entstehung der Symptome. Die wahrscheinlichste Theorie ist, dass es zu einem Konflikt zwischen zwei widersprüchlichen Sinneseindrücken kommt. Bei schwankenden Bewegungen des Boots in der Dünung ohne Referenzpunkt am Horizont kann es passieren, dass das Innenohr-Gleichgewichtsorgan und die Augen unterschiedliche Informationen an das Gehirn senden. Das Gehirn reagiert auf diese widersprüchlichen Eindrücke mit Übelkeit und Erbrechen. 

Und warum macht unser Körper das? Möglicherweise ist diese Reaktion ein Schutzreflex, der eigentlich nach dem Verzehr giftiger Nahrung Erbrechen auslösen soll, um das Gift schnell loszuwerden. Denn durch manche Gifte kann es zu Halluzinationen kommen, die wiederum einen Konflikt zwischen widersprüchlichen Sinneseindrücken auslösen.

Gesichert ist: Auf neurobiologischer Ebene ist der Hauptauslöser der gefürchteten Übelkeit ein steigender Histamin-Spiegel im Gehirn (1). Auf diesem Mechanismus beruht auch die Wirkung einiger Medikamente gegen die Seekrankheit.

Ein Mann springt von einem Boot ins Wasser. Auf Boat-Trips droht die Seekrankheit.
Vom Boot ins aquariumklare Wasser – so sieht der Traum vom Boat-Trip aus.
Doch durch die Seekrankheit kann sich der Surftrip schnell in eine echte Qual verwandeln.

Wer hat ein erhöhtes Risiko für die Seekrankheit?

Das statistisch höchste Risiko für die Seekrankheit besteht mit einem Alter von 12 Jahren. Außerdem sind Frauen etwas häufiger betroffen als Männer. Nützlicher Fact für die Reiseplanung: Während der Menstruation ist das Risiko zusätzlich erhöht (2). 

Abgesehen von diesen Risikofaktoren unterscheidet sich die Anfälligkeit für die Seekrankheit individuell sehr stark.

Eine Frau surft eine tropische Welle. Frauen sind statistisch häufiger von der Seekrankheit / Reisekrankheit betroffen.
Surferinnen sind etwas häufiger von der Seekrankheit betroffen als männliche Surfer.

Ist die Seekrankheit gefährlich?

Zum Glück ist die Seekrankheit meistens „nur“ quälend.

Doch bei langanhaltendem Erbrechen drohen eine Austrocknung des Körpers und Veränderungen der Blutsalzkonzentration. Spätestens dann sollten sich Betroffene aus der auslösenden Situation entfernen oder medizinisch behandelt werden. 

Es gibt Zeitungsberichte über schwere Bootsunglücke durch die Seekrankheit – auch mit tödlichen Folgen. Denn die Seekrankheit kann die Handlungsfähigkeit der Crew massiv einschränken.

Schließlich erhöht die Seekrankheit über unterschiedliche Mechanismen das Risiko für eine Unterkühlung (3, 4). Mehr zum medizinischen Notfall der Unterkühlung erfährst du im Beitrag „Frieren beim Surfen – die Unterkühlung“.

Umso wichtiger zu wissen, was du gegen die Seekrankheit tun kannst.

Ein Surfer surft eine Welle auf einem Boat Trip.
Wenn du das Boot verlässt, werden die Symptome der Seekrankheit meistens leichter.
Ein Grund mehr, so viel Zeit wie möglich im Wasser zu verbringen.

Was tun bei Seekrankheit?

Es gibt unterschiedliche Verhaltensweisen, die Seekrankheit zu lindern. 

So kann es helfen, sich in die Mitte des Boots zu begeben – denn dort fällt das Auf- und Ab in den Wellen am schwächsten aus. 

Außerdem kann es hilfreich sein, den Horizont im Blick zu halten oder die Augen ganz zu schließen, um die Informationen des Sehsinns und des Innenohr-Gleichgewichtsorgans nicht in einen Konflikt zu bringen.

Auch eine bewusste Atmung kann gegen die quälende Übelkeit helfen. Denn eine tiefe Bauchatmung mit Betonung der Ausatemphase kann den Vagus-Nerv aktivieren und so den ganzen Körper entspannen und Übelkeit lindern.

Den Horizont im Blick zu behalten fällt bei so einem schönen Horizont nicht weiter schwer…

Gibt es Hausmittel gegen die Seekrankheit?

Ingwer gegen Seekrankheit

Das bekannteste Hausmittel gegen die Seekrankheit ist Ingwer. Laut Studien kann das Kauen von rohem Ingwer der Krankheit vorbeugen und die Symptome lindern (5). Allerdings gibt es auch Studien, die keinen Effekt von Ingwer auf die Beschwerden nachweisen konnten (6).

Ingwer ist nebenwirkungsarm und für die meisten Menschen ungefährlich. Allerdings sollte Ingwer bei bekanntem Gallensteinleiden oder Magengeschwüren besser gemieden werden.

Ingwer ist das bekannteste Hausmittel gegen die Seekrankheit / Reisekrankheit.
Ingwer ist das bekannteste Hausmittel gegen die Seekrankheit.

Vitamin-C gegen Seekrankheit

Hilft Vitamin-C gegen die Seekrankheit? Laut einer Studie von R. Jarisch et al, die an der Uni Kiel in Zusammenarbeit mit der Deutschen Marine durchgeführt wurde, kann die Einnahme von 2 g Vitamin-C bei Frauen und bei Männern jünger 27 Jahre die Symptome der Seekrankheit lindern (7).

Auch traditionelle Kulturen wissen um die Wirksamkeit von Vitamin C: Seefahrer auf Samoa essen Mangos, bevor sie sich den Wogen des pazifischen Ozeans stellen. Und Mangos enthalten jede Menge Vitamin C.

Mangos enthalten viel Vitamin C. Vitamin C hilft nachweislich gegen die Seekrankheit / Reisekrankheit.
Mangos sind nicht nur lecker – wahrscheinlich helfen sie auch ein wenig gegen die Seekrankheit.

Akupunktur und Akupressur gegen die Seekrankheit

Besonders in asiatischen Ländern sind Akupunktur und Akupressur zur Behandlung der Seekrankheit weit verbreitet. Die Studienlage zur Wirksamkeit ist allerdings noch sehr uneindeutig, auch wenn es Hinweise auf die Wirksamkeit gibt (8). Vor allem der Akupunktur Punkt P6 (Nei Kuan) am beugeseitigen Unterarm wird häufig gegen Übelkeit verwendet. Einfach anzuwenden und kostengünstig sind „Seabands“, die über Akupressur wirken. Diese Armbänder können für wenig Geld bestellt werden.

Medikamente gegen die Seekrankheit

Zum Glück gibt es gut wirksame Medikamente gegen die Seekrankheit.

Ein frei verkäufliches Medikament, das in fast keiner Reiseapotheke fehlen sollte, ist Dimenhydrinat (z.B. „Vomex“). Es handelt sich dabei um ein Antihistaminikum, das in der Apotheke auch ohne Rezept gekauft werden kann. Durch eine Blockierung der Histamin-Rezeptoren im Gehirn lindert es Übelkeit und hemmt den Brechreiz. Als unerwünschte Nebenwirkung kann es unter anderem starke Müdigkeit und Muskelschwäche auslösen – surfen solltest du nach der Einnahme des Medikaments daher eher nicht. 

Die schnellste Wirksamkeit gegen die Reiseübelkeit hat das Medikament Scopolamin. Das Medikament ist verschreibungspflichtig und sollte nur nach ärztlicher Verordnung angewendet werden. Es eignet sich zum Beispiel für die Reiseapotheke von Menschen, die bereits zuvor unter schwerer Seekrankheit gelitten haben und trotzdem nicht auf eine Bootsreise verzichten können oder wollen.

Medikamente gegen die Seekrankheit haben zum Teil ernst zu nehmende Risiken und Nebenwirkungen und es gibt Situationen, in denen die Medikamente auf keinen Fall eingenommen werden sollten. Daher sollte immer eine ärztliche Beratung vor der Einnahme eines der Medikamente erfolgen.

Es gibt mehrere gut wirksame Medikamente gegen die Seekrankheit / Reisekrankheit.

Weiterführende Literatur

Für alle, die sich etwas genauer mit dem Thema auseinandersetzen möchten, empfehle ich die Übersichtsarbeit von Leung et al aus dem Jahr 2019 (9).

Dieser Beitrag behandelt ein Gesundheitsthema und dient allein der Informationsvermittlung. Er darf nicht zur Selbstdiagnose verwendet werden und ersetzt in keiner Weise die individuelle Diagnose und Therapieempfehlung durch einen Arzt. Bitte beachte auch den Gesundheits- und Rechtshinweis und suche bei Gesundheitsproblemen immer einen Arzt oder eine Ärztin auf.

Quellen

  1. T. Watanabe, A. Yamatodani, K. Maeyama et al., Pharmacology of alpha-fluoromethylhistidine, a specific inhibitor of his- tidine decarboxylase, Trends Pharmacol Sci 11 (1990), 363– 367
  2. E.A. Grunfeld, C. Price, P.J. Goadsby et al., Motion sickness, migraine and menstruation in mariners, Lancet 351 (1998), 1106
  3. G. Nobel, O. Eiken, A. Tribukait et al., Motion sickness in- creases the risk of accidental hypothermia, Eur J Appl Physiol 98 (2006), 48–55
  4. G. Nobel, A. Tribukait, I.B. Mekjavic et al., Histaminergic and cholinergic neuron systems in the impairment of human thermoregulation during motion sickness, Brain Res Bull 82 (2010), 193–200
  5. A. Grøntved, T. Brask, J. Kambskard, E. Hentzer: Ginger root against seasickness. A controlled trial on the open sea. In: Acta Otolaryngol. 1988; 105, S. 45–49
  6. Weimer K. et al.: Effects of Ginger and Expectations on Symptoms of Nausea in a Balanced Placebo Design: PLos One 2012;7
  7. Jarisch R, Weyer D, Ehlert E, Koch CH, Pinkowski E, Jung P, Kähler W, Girgensohn R, Kowalski J, Weisser B, Koch A. Impact of oral vitamin C on histamine levels and seasickness. J Vestib Res. 2014;24(4):281-8
  8. Fydanaki O, Kousoulis P, Dardiotis E, Bizakis I, Hajiioannou I. Electroacupuncture Could Reduce Motion Sickness Susceptibility in Healthy Male Adults: A Double-Blinded Study. Med Acupunct. 2017 Dec 1;29(6):377-382
  9. Leung AK, Hon KL. Motion sickness: an overview. Drugs Context. 2019 Dec 13;8:2019-9-4