Kopfverletzungen gehören zu den häufigsten Verletzungen beim Surfen. Indirekt sind sie vermutlich sogar eine der häufigsten Todesursachen beim Surfen – denn schon eine kurze Bewusstlosigkeit reicht aus, um zu ertrinken. Ein Helm kann dich schützen und sogar Leben retten.
Doch woran liegt es, dass der Kopfschutz beim Surfen kaum getragen wird?
Unter Surfern kämpft der Surfhelm mit einem schlechten Image. Er soll Freiheitsgefühl und Performance einschränken und insbesondere beim Duck Dive stören. Außerdem kann ein Surf Helm gerade in kleineren Wellen schnell „kooky“ wirken.
Mein Surfbuddy Chris und ich haben unsere Eitelkeit heruntergeschluckt und uns jeder einen Surfhelm gekauft. Zwischen den Jahren hatten wir die Gelegenheit, die Helme bei ausgedehnten Sessions in der Algarve zu testen.
Warum mit Helm surfen?
Gesicht, Kopf und Nacken sind besonders häufig von Surfverletzungen betroffen: Jeder Dritte Unfall betrifft eines dieser Körperteile. (1) Dabei verletzen sich Surfer am häufigsten am eigenen Surfboard. Besonders gefährlich: Die Finnen. (2) Meistens handelt es sich bei den Kopfverletzungen um Schnittverletzungen, Platzwunden oder Prellungen. Glücklicherweise kommt es nur selten zu gefährlichen Verletzungen. Aber auch kleine Kopfverletzungen können dich wertvolle Surf Tage kosten.
Wenn es weniger glimpflich abläuft, kannst du jedoch auch eine Gehirnerschütterung erleiden. Die bedeutet nicht nur eine längere Zwangspause, sondern kann auch bleibende Schäden hinterlassen. Im Worst-Case Szenario bekommst du davon jedoch schon gar nichts mehr mit. Denn bereits eine kurze Bewusstlosigkeit kann zum Ertrinken führen.
In anderen Sportarten sind Helme längst Normalität. Für den Skisport gilt es als wissenschaftlich erwiesen, dass Helme vor Kopfverletzungen schützen können. (3) Kein Wunder also, dass auf Österreichs Pisten eine Helmpflicht besteht.
In meinen Beiträgen Gehirnerschütterung beim Surfen, Verletzungen beim Surfen und Ertrinken beim Surfen gehe ich genauer auf einige Surfverletzungen ein – und die Gründe, warum du bei deiner nächsten Session vielleicht einen Helm tragen solltest.
Wann mit Helm surfen?
Immer häufiger tragen Pro Surfer in heftigen Wellen einen Helm. Ein besonders prominentes Beispiel ist Owen Wright. Bei seinem Sieg im Tahiti Pro Event in Teahupo’o 2019 trug er während seiner Heats einen Surf Helm. Es scheint, als hätte er aus der Vergangenheit gelernt. Denn als er 2015 Pipeline surfte, stürzte er und erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma. Es vergingen Monate bis er wieder auf dem Brett stand.
Doch ist ein Surf Helm nur für Surfer sinnvoll, die sich in doppelt überkopfhohe Barrels stürzen, die über einem flachem Riff brechen? Oder sollten vor allem Anfänger mit Helm surfen?
Bei deiner Entscheidung, ob du vielleicht einen Helm tragen solltest, kann dir ein Blick in die Studienlage helfen. Denn tatsächlich zeigen die Studien zu Surfverletzungen, dass die Verletzungsgefahr mit zunehmender Surferfahrung steigt. Ebenso beim Surfen großer Wellen und beim Surfen über hartem Untergrund. Natürlich können dir auch andere Surfer in vollen Lineups gefährlich werden, allerdings wird der Crowd Faktor meist überschätzt. Das weitaus größte Verletzungsrisiko geht vom eigenen Brett aus – nicht von anderen Surfern.
Ein Surfhelm ist daher für erfahrene Surfer, die in größeren Wellen oder über dem Riff surfen besonders sinnvoll.
Der Test: Surfhelm Gath Neo Hat
Erster Eindruck des Testhelms
Der Helm von Gath wirkt hochwertig verarbeitet – unsaubere Nähte sucht man vergebens. Bei einem stolzen Preis von fast 170 Euro haben wir allerdings auch nichts anderes erwartet.
Der Helm selbst fühlt sich in den Händen leicht an und die Schale ist ziemlich dünn. Denn im Gegensatz zu den Helmen, die ich vom Biken oder Ski-Fahren kenne, besteht der Helm lediglich aus einer Plastikschale und einem eher minimalistischen Padding aus gummiartigem Schaumstoff. Überraschend: Das flexible Material der Schale lässt sich mit den Händen sehr leicht biegen. Ob das die Schutzwirkung beeinträchtigt?
Auch die Ohren sind vom Surfhelm bedeckt. Damit man trotzdem etwas hören kann, befinden sich hier Öffnungen, die sich durch einen Drehverschluss schließen und öffnen lassen – praktisch.
Im Bereich der Stirn befindet sich außerdem eine Verlängerung aus Neopren, die für einen engen Abschluss des Helms sorgen und so ein Verrutschen bei Duckdives verhindern soll.
Testbedingungen
Von hüfthohen Longboard Peelern bis zu überkopfhohen, kräftigen Wellen musste der Testhelm sich in unterschiedlichen Bedingungen behaupten. Wir haben ihn während des gesamten Surftrips bei fast jeder Session getragen.
Passform und Komfort des Surfhelms
Dank des flexiblen Materials passt der Helm sehr gut. Anfängliches Drücken im Bereich der Ohren war nach wenigen Sessions fast komplett verschwunden. Der Helm schmiegt sich eng an den Kopf an und wackelt nicht. Daher sind Passform und Komfort im Prinzip gut. Bei mir verursachte der Helm nach längeren Sessions jedoch Kopfschmerzen. Dazu später mehr.
Ein Helm scheint auch in diesen Disziplinen sinnvoll zu sein.
Testeindrücke zum Surfhelm
Optik
Der schwarze Surfhelm fällt optisch kaum auf und könnte aus der Entfernung mit einer Neo Haube verwechselt werden. Dementsprechend blieben schräge Blicke aus. Nach dem Rauspaddeln haben wir meist schon vergessen, dass wir einen Helm tragen.
Halt
Bei Duck Dives in kräftigen Wellen spürte ich einen leichten zusätzlichen Zug am Kopf. Der Helm hält allerdings bombenfest. Wir haben schnell die Technik angepasst und bei den Duck Dives eine Nickbewegung nach vorne gemacht. Problem gelöst.
Leider lockert sich das Kinnband relativ leicht und wir mussten es immer mal wieder nachziehen. Das Problem ließe sich durch einen improvisierten Gummiring bestimmt einfach lösen. Dafür hat uns das Nachziehen jedoch zu wenig gestört.
Sichtfeld
Und Einschränkungen des Sichtfelds? Fehlanzeige, denn der Surfhelm schränkt das Sichtfeld in keiner Weise ein. Für einige Surfer verbessert er sogar das Sehen, denn er hält die nassen Haare von den Augen fern.
Der Surf Helm war weniger auffällig als wir dachten.
Kälteschutz
Im winterlichen Atlantik hatte der Helm noch einen weiteren Vorteil: Er hielt den Kopf und die Ohren schön warm. Damit schützt er auch vor dem Surfer’s Ear – Chris verzichtete trotz empfindlicher Ohren den ganzen Urlaub auf seine Earplugs. Allerdings wurde es manchmal sogar zu warm wenn uns die winterliche Sonne auf die Köpfe schien. Du hast vor deinen Surfhelm an tropischen Surfdestinations oder im französischen Sommer zu verwenden? Dann empfehle ich ganz klar einen weißen Helm.
Sonnenschutz
Außerdem erwähnenswert: Am Ende des Surf Trips hatten wir beide eine deutliche Bräunungskante in der Mitte der Stirn. Das gibt Punktabzug in Sachen Style. Es zeigt aber auch, dass ein Helm ein guter UV-Schutz ist und dich vor Hautkrebs schützen kann. Dieser Aspekt ist vor allem für Surfer relevant, deren Surfer-Mähne altersbedingt einer praktischen Kelly Slater Frisur weichen musste.
Kopfschmerzen
Leider verursachte der Surfhelm bei mir nach längeren Sessions Kopfschmerzen. Wenn ich den Helm wegließ, verschwanden die Kopfschmerzen. Mit Helm traten sie erneut auf. Möglicherweise drückte der Helm im Bereich der kleinen Nackenmuskeln, die sich direkt unterhalb der hinteren Schädelkante befinden. Verspannungen dieser Muskeln können bei manchen Menschen zu Kopfschmerzen führen.
dafür schützt er dich vor der Sonne.
Wie gut schützt der Surfhelm?
Glücklicherweise gab es während des Tests keine brenzlige Situation, bei der eine ernsthafte Kopfverletzung hätte entstehen können. Diese Aussagen zur Schutzwirkung des Surfhelms beziehen sich deshalb auf die Konstruktionsweise.
Zuerst zum klaren Vorteil: Durch die glatte Oberfläche aus Plastik müsste der Helm sehr gut vor Schnittverletzungen und Platzwunden schützen – und damit vor dem Großteil aller Kopfverletzungen beim Surfen. Außerdem ermöglichen glatte Oberflächen das Abrutschen von Gegenständen, sodass die Energie eines Aufpralls umgeleitet werden kann. Allein dadurch bietet der Helm wahrscheinlich einen gewissen Schutz vor Gehirnerschütterungen.
Nun zu meinen Bedenken: Bei Helmen aus dem Mountainbike- oder Skisport mindert eine dicke Schicht aus anfangs starrem Material durch Verformung die Aufprallenergie und schützt so das Gehirn. Diese Schicht wird häufig sogar um weitere Schichten ergänzt, die eine zusätzliche Schutzwirkung gegenüber gefährlichen Rotationsbewegungen bewirken sollen. Solche Technologien sucht man beim Testhelm vergebens. Denn unter der Plastikschale absorbiert nur eine relativ dünne Schicht aus gummiartigen Schaumstoff den direkten Aufprall und es gibt keine zusätzlichen Technologien, die auch vor indirekten Kräften schützen würden. Ob beim Schutz vor Gehirnerschütterungen noch Luft nach oben besteht? Ich vermute ja.
Vor- und Nachteile des getesteten Surf Helms
Vorteile
- Sehr guter Schutz vor Cuts und Platzwunden
- Schutz vor einer Gehirnerschütterung
- Schutz vor UV-Strahlung
- Schutz vor Surfer’s Ear (vor allem mit geschlossener Ohrenklappe)
- Wärmt in kaltem Wasser
- Keine Einschränkung des Sichtfelds
- Keine relevante Einschränkung des Hörvermögens (vor allem mit geöffneter Ohrenklappe)
- Guter Sitz und Halt, flexibles Material
Nachteile
- Kopfschmerzen bei längerem Tragen bei einem Tester
- Keine Einstellmöglichkeiten – die Größe muss genau passen
- Leichte Einschränkung bei Duck Dives in kräftigen Wellen
- Kinn Band lockert sich während der Session etwas
- Schwarzer Helm sogar in der winterlichen Algarve manchmal zu heiß
- Beim Schutz vor einer Gehirnerschütterung möglicherweise Luft nach oben
- Hoher Preis
Alternativen zum Testhelm
Gath bietet neben dem Neo Hat einen weiteren Surfhelm an: Der Gath Surf Convertible ähnelt auf Fotos Helmen aus dem Bike- oder Skisport und kostet so viel wie unser Testhelm. Vielleicht die sicherere Alternative?
Und für Sparfüchse gibt es den Surfhelm der Decathlon Eigenmarke Olaian für gerade einmal 25 Euro. Der Helm hat allerdings eher Ähnlichkeit mit einem Rugby Helm und dürfte daher weniger gut vor Schnittverletzungen schützen.
Persönliches Fazit zum Surfen mit Helm
Trotz anfänglicher Vorbehalte konnte uns das Surfen mit Helm überzeugen. Denn bereits nach wenigen Paddelzügen war der Helm fast vergessen und wir fühlten uns weder in Hinblick auf Performance noch Sichtfeld eingeschränkt.
Doch während Chris überhaupt keine Probleme hatte, verursachte der Testhelm bei mir leider nervige Kopfschmerzen. Für mich persönlich ein klares Argument gegen diesen Surfhelm.
Trotzdem: Der zusätzliche Schutz fühlte sich vor allem in größeren Wellen gut an und ohne Helm fühlte ich mich zwischenzeitlich etwas „nackt“.
Ein weiterer Vorteil ist, dass Ohren und Kopf gut vor Kälte und Sonne geschützt sind. In der Mittagssonne wurde es sogar zu heiß. Daher empfehle ich, Surfhelme in weiß zu bestellen.
Aufgrund der nervigen Kopfschmerzen werde ich den Testhelm wohl „nur“ in Bedingungen mit höherem Risiko anziehen – oder noch andere Helme ausprobieren. Denn im Grunde spricht alles für die Verwendung eines Surfhelms.
Quellen
1 McArthur K et al, Epidemiology of Acute Injuries in Surfing: Type, Location, Mechanism, Severity, and Incidence: A Systematic Review, Sports Basel, 2020 Feb
2 Nathanson A, Injury Prevention in The Sport of Surfing: An Update. Extreme Sport Med, 2020 Sep
3 Cusimano M, Kwok J, The effectiveness of helmet wear in skiers and snowboarders: a systematic review. Br J Sports Med. 2010
Dieser Beitrag behandelt ein Gesundheitsthema und dient allein der Informationsvermittlung. Er darf nicht zur Selbstdiagnose verwendet werden und ersetzt in keiner Weise die individuelle Diagnose und Therapieempfehlung durch einen Arzt. Bitte beachte auch den Gesundheits- und Rechtshinweis und suche bei Gesundheitsproblemen immer einen Arzt auf.