Dr. Ogi Markovic – Interview mit einem surfenden Augenarzt

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Ich hatte das Vergnügen ein Interview mit dem Surf-Arzt Dr. Ogi Markovic zu führen. Ogi ist Augenchirurg in Wien und leidenschaftlicher Surfer. Als Mitgründer der internationalen Ärzteorganisation Surfing Medicine International ist er Surfmedizin Pionier im deutschsprachigen Raum. Außerdem engagiert Ogi sich als medizinischer Berater der Plastic Soup Foundation für den Meeresschutz und ist Dozent an der Universität Lissabon im Curriculum High Performance Surf Coaching. Bei so vielen Projekten war es gar nicht so einfach einen Termin zu finden – dafür hat es sich sehr gelohnt. Wir haben uns über die wichtigsten Probleme unterhalten, die Surfer mit den Augen haben können. Wenn dich interessiert, was es mit dem Surfers Eye auf sich hat und was Surfer übers Surfen mit Kontaktlinsen wissen sollten, lohnt sich das Lesen.

Viel Spaß!

Ogi, du bist Experte für Augenkrankheiten bei Surfern, denn Du hast jahrelang zu Augenveränderungen bei Surfern geforscht. Woran genau hast du geforscht?  

Ogi Markovic: In den 90er Jahren habe ich an meiner Heimatuniversität Wien eine der weltweit größeren Studien zum Pterygium oder Surfers Eye durchgeführt. Dafür bin ich surfend um die Welt gereist, vom Singapur Eye Institute bis zum Melbourne und Sydney Eye Institute und habe so ein Netzwerk spinnen können. Und wie du ja weißt, ist das Pterygium, oder Flügelfell, eine der häufigsten Erkrankungen von Surfern…

… und ist sogar so häufig, dass es im englischsprachigen Raum Surfers Eye genannt wird. Vielleicht können wir die Gelegenheit nutzen, und du erklärst, was das ist.

Ogi Markovic: Auf zellulärer Ebene ist das Surfers Eye das Durchdringen von anderen Zellarten auf die Hornhaut. Sogenannte Fibroblasten, also Zellen, die viel Gewebe produzieren, wachsen von der Bindehaut über die Hornhaut. Was nicht schön ausschaut und im Laufe der Zeit eine Sehminderung im Sinne einer Hornhautverkrümmung hervorruft.

Und warum sind Surfer davon so häufig betroffen? Wer sollte besonders vorsichtig sein?

Ogi Markovic: Durch die UV-Strahlung kommt es zu einer Schädigung der Bindehaut. Die sich danach regenerierende Bindehaut führt zu einem Übergreifen auf die Hornhaut und damit zum Surfers Eye. Doch das wirklich Bedenkliche ist, dass die UV-Schädigung auch die Netzhaut betrifft. Und das zahlen wir dann mit einer hohen Rate an Makula-Degenerationen, also einer Sehminderung durch den Untergang von Sinneszellen auf der Netzhaut.

Das heißt Surfer sind auch besonders häufig von der Makula-Degeneration betroffen und haben dadurch ein erhöhtes Risiko für eine Sehminderung?

Ogi Markovic: Prinzipiell alle, die besonders viel UV-Strahlung abbekommen. UV-Strahlung ist ein „Major factor“ bei der Entstehung der Makuladegeneration.

Umso wichtiger sich als Surfer vor der UV-Strahlung zu schützen. Aber eine Sonnenbrille beim Surfen zu tragen ist relativ schwer…

Ogi Markovic: Wie Paracelsus sagte – die Dosis macht die Wirkung. Man sollte daher die UV-Dosis über den Tagesverlauf mindern. Deshalb trage ich immer eine Cap. Ein Hut mit einer breiten Krempe reduziert die UV-Bestrahlung der Augen automatisch um 70%. Umso breiter die Krempe, umso effektiver. Und die Sonnenbrille immer dann tragen, wenn man nicht im Wasser ist. Es gibt aber auch Surf-Sonnenbrillen. Die haben wir übrigens in einer unserer ersten World Conferences of Surfing Medicine getestet. Aber Surfen ist ein Wassersport und das bringt natürlich so seine Komplikationen mit sich.

Für mich wäre da immer die Sorge die Sonnenbrille beim Duckdive zu verlieren. Und natürlich trocknet das Salzwasser auf den Brillengläsern – da sieht man nicht mehr viel.

Ogi Markovic: Das ist der Vorteil, wenn man im Break wie ich einer der „Old Men“ ist. Niemand schaut mich mehr komisch an, wenn ich im Lineup einen Hut trage. Schaut nicht gut aus, aber ich habe meinen Wasserhut gern.

An den Augen kann es beim Surfen auch zu ganz akuten Augenproblemen kommen. Studien weisen darauf hin, dass ca. ein Drittel aller Surfverletzungen den Kopfbereich betreffen. Da ist sicherlich das eine oder andere Auge dabei…

Ogi Markovic: Ein Prozent aller Surfverletzungen betreffen das Auge. Übrigens entspricht das auch ungefähr dem Volumenanteil der Augen am Körper. Wenn man die Augenlider hinzuzählt wird es nochmal deutlich mehr. Von Cuts, Verletzungen durch Korallen oder Bindehautentzündungen kann einem Surfer in diesem Bereich viel passieren.

Bei welchen Warnzeichen sollte man als Surfer denn möglichst schnell einen Augenarzt aufsuchen?

Ogi Markovic: Gehen wir systematisch vor und beginnen bei den Lidern. Wichtiges Warnzeichen ist hier das Anschwellen der Lider, sodass man nicht mehr herausschauen kann. Das kann allergisch, entzündlich oder verletzungsbedingt sein. 

Ein Warnzeichen, das ich besonders betonen möchte, ist die neu aufgetretene einseitige Lichtempfindlichkeit. Das kann ein Hinweis auf ein Problem im Bereich der Vorderkammer oder der Hornhaut sein. An einer „Remote Location“ würde ich zeitnah jemanden aufsuchen wollen, der mir die Äuglein anschaut.

Auch wenn das den Abbruch des Surfurlaubs bedeutet?

Ogi Markovic: Du musst es natürlich in die Perspektive setzen, dass der Grund nicht bekannt ist. Wenn wir von einem Szenario an einer „Remote Location“ wie G-Land ausgehen, dann ist der einzige Arzt vor Ort ein Kollege der australischen Surfing Doctors und kein Augenarzt. Wenn die Ursache für die Lichtempfindlichkeit ein oberflächlicher Fremdkörper ist, kann es zu einer Besiedelung durch sehr bösartige Keime kommen. Dann hat man nach spätestens 48 Stunden ein großes Problem. Und das nächste Spital ist einen halben Tag mit dem Jeep entfernt… 

Das wichtigste ist, gut vorbereitet zu sein, wenn man sich an eine „Remote Location“ begibt. Dafür haben wir von Surfing Medicine International 2015 die kostenlose „Surf First Aid App“ entwickelt. Dort stehen solche Informationen in Form von leicht verständlichen Checklisten auch offline zur Verfügung und die Notfallnummern der Regionen sind nur wenige Klicks entfernt. Denn wie du als Arzt weißt kommen solche Situationen meist unverhofft – und das Handy hat man fast immer bei sich.

Scharf Sehen ist beim Spot Check und bei schlechten Sichtverhältnissen wichtig. Gibt es bestimmte Kontaktlinsen, die für Surfer zu empfehlen sind? Was sollten Surfer beim Surfen mit Kontaktlinsen beachten?

Ogi Markovic: Prinzipiell ist zu sagen, dass die Kontaktlinsen beim Surfen im Durchschnitt sehr gut vertragen werden. Das Problem ist nicht so sehr die Kontaktlinse, sondern das Problem ist das Auge. Die Kontaktlinse verträgt den Surf problemlos. Das erste Problem am Auge ist, dass unter der Kontaktlinse ein Milieu entsteht, das nicht gerade Hornhaut förderlich ist. Dann hast du zweitens das Problem, dass durch das ständige Bespülen durch das salzige Meerwasser das Auge drastisch austrocknet und sich der pH-Wert ändert. Das zerstört dir komplett deinen Tränenfilm – wir kennen das alle von den roten Augen nach einer langen Session. Wie du weißt wird die Hornhaut aber nur über die Tränenflüssigkeit mit Sauerstoff versorgt. Auf der einen Seite hast du also eine Reizung mit Milieuveränderung und auf der anderen Seite hast du eine Hornhaut, die durch die Linse vom Sauerstoff abgedichtet ist. 

Das ist wieder eine Sache der Dosis. Wenn ich eine zwei Stunden lange Session plane, würde ich eher von Kontaktlinsen abraten. Wenn ich – so wie ich es als sinnvoll erachte – Sessions mache, die mich sowohl kraftvoll hinein als auch kraftvoll herauspaddeln lassen, dann werde ich sehr selten Probleme mit den Kontaktlinsen haben. 

Was häufig vergessen wird ist, dass man die Kontaktlinsen auch als einen Schutz der Augenoberfläche nutzen kann. 

Eine dreiviertel Stunde surfen ist gar kein Problem – aber dann die Kontaktlinsen bitte herausnehmen und das Auge mit befeuchtenden Augentropfen spülen.

Das Problem ist ja, dass die Leute die Kontaktlinsen nach dem Rausgehen noch für lange Zeit drin haben – was sowohl in Bezug auf die Infektionsgefahr als auch auf die Augentrockenheit keinen Sinn macht.

Das heißt eigentlich wäre es gut schon am Auto ein Set zu haben, um die Kontaktlinsen sofort herausnehmen und das Auge spülen zu können?

Ogi Markovic: Genau. Am Markt gibt es Augentropfen, die physiologisch sehr gut verträglich sind, die man in rauen Mengen spülen kann. In den 90er Jahren konnte ich an der Entwicklung solcher Augentropfen mitwirken. Solche Augentropfen haben durchaus ihren Benefit – sowohl gegen Keime als auch für das Milieu.

Macht es einen Unterschied harte oder weiche Kontaktlinsen zu tragen?

Ogi Markovic: Natürlich – harte Kontaktlinsen sind fürs Surfen nicht geeignet. Sie kosten sehr viel, haben einen engen Radius und werden dadurch leicht weggespült. Und wenn sie weggespült werden, können sie richtig unangenehm unter dem Lid landen.

Am besten sind weiche Kontaktlinsen mit einem weiten Radius, die man nach der Session auch wegwirft. Auch wenn das natürlich die Frage nach der Plastikverschmutzung aufwirft…

Und zum Schluss die Frage, die ich dir eigentlich am Anfang stellen wollte: Wo hattest du deine letzte richtig gute Surf-Session?

Ogi Markovic: Die letzte wirklich gute… in Arrieta auf Lanzarote. Das ist quasi mein Homespot.

Und was ist das für eine Welle? Ich habe noch nie von der Welle gehört…

Ogi Markovic: Das ist das Tolle an dieser Welle, kaum jemand kennt sie. Aber die Menschen von Lanzarote bieten eine ausgesprochene Freundlichkeit, wenn man ihnen mit Respekt begegnet. Auch an all den bekannten Spots auf Lanzarote wie La Santa Left wird man nie Probleme haben, wenn man ihnen mit Respekt begegnet. Arrieta ist eine kleine Ortschaft an der Ostküste von Lanzarote die eigentlich nicht besonders viel Swell abbekommt. Aber ein paar Mal im Jahr gibt es unfassbar schöne Wellen, glasig hereinkommend und sich lang in die Bucht dehnend. Da kann man schon ein paar Stündchen seines Lebens verbringen.

Das klingt sehr schön und ist denke ich ein guter Moment das Gespräch langsam zu beenden. Vielen Dank Ogi, dass du dir die Zeit für das spannende Gespräch genommen hast.

Ogi Markovic: Vielen Dank Constantin und wir freuen uns dich bei der SMI dabei zu haben.

Dieser Beitrag behandelt ein Gesundheitsthema und dient allein der Informationsvermittlung. Er darf nicht zur Selbstdiagnose verwendet werden und ersetzt in keiner Weise die individuelle Diagnose und Therapieempfehlung durch einen Arzt. Bitte beachte auch den Gesundheits- und Rechtshinweis und suche bei Gesundheitsproblemen immer einen Arzt auf.