Dr. Ulf Schlierenkämper – Interview mit einem surfenden Sportorthopäden

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In diesem Surfmedizin Interview habe ich mit Dr. Ulf Schlierenkämper gesprochen. Ulf ist passionierter Surfer und verbindet diese Passion mit seinem Beruf als orthopädischer Chirurg. Um Surfer*innen eine bessere medizinische Versorgung bei Verletzungen bieten zu können, hat er gemeinsam mit Kollegen aus dem Bereich der Sportorthopädie und -traumatologie den Surfmedizin e.V. gegründet. Natürlich konnte ich mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen, mit ihm über den neu gegründeten Verein, Verletzungen beim Surfen und überlastungsbedingte Beschwerden zu sprechen. Viel Spaß beim Lesen!

Hi Ulf!

Ulf Schlierenkämper: Hallo Constantin. Grüße nach München.

Stell dich doch kurz vor – was ist dein surferischer und medizinischer Hintergrund?

Ulf Schlierenkämper: Ich bin Anfang 40 und lebe seit einigen Jahren in Köln. Seit meinem dritten Lebensjahr bin ich viel am Meer und habe dementsprechend von klein auf viel Kontakt mit Wellen und Brandung gehabt. Mit den Jahren hat sich das dann auf den Schwerpunkt Wellenreiten verlagert. Zusätzlich zu dem Sport habe ich natürlich auch noch einen Job und arbeite als Oberarzt in der Sportorthopädie in einem Kölner Krankenhaus.

Du bist nicht nur Surfer und Arzt zugleich, sondern du hast gemeinsam mit Kollegen den Surfmedizin e.V. gegründet. Was ist eure Vision und was steht als nächstes an?

Ulf Schlierenkämper: Wir haben uns vor ungefähr einem Jahr zusammengefunden, weil wir als Orthopäden und Sporttraumatologen gesehen haben, dass es im wachsenden Bereich des Wassersports immer noch eine große Lücke in der medizinischen Versorgung von Verletzungen gibt. Entweder weil eine lange Wartezeit bis zur ersten Beratung besteht oder weil viele Kollegen sich nicht im Detail mit dem Sport auskennen. Dementsprechend haben wir uns als Ärzte und Physiotherapeuten aus verschiedenen Bereichen – z.B. mit dem Hintergrund Kitesurfen, SUP und Wellenreiten – zusammengetan. Als Ansprechpartner möchten wir so schnell medizinische Beratung anbieten, um Betroffene schnell zum Sport zurückbringen zu können.

Auf dem Foto des 1. Surfmedizin Symposiums sind Teilnehmende und die Gründer des Surfmedizin e.V. zu sehen - unter anderem Dr. Ulf Schlierenkämper.
Das 1. Surfmedizin Symposium wurde in Kooperation von DWV und dem Surfmedizin e.V. organisiert.
Foto: Deutscher Wellenreitverband

Sehr spannend! Auf Social Media ist zu sehen, dass das Projekt schnell wächst und ihr sehr aktiv seid. Wie können Surfer*innen, die eine Verletzung haben, euch erreichen oder herausfinden, ob Kolleg*innen aus dem Surfmedizin e.V. in ihrer Nähe sind?

Ulf Schlierenkämper: Das Einfachste ist natürlich, uns über unsere Internetseite oder Social Media eine Nachricht zu schreiben. Wir sind dabei, auf unserer Internetseite ein Verzeichnis einzurichten, auf dem Surferinnen und Surfer abrufen können, wer der nächste verfügbare Arzt ist – aber wir sind noch relativ neu. Momentan reicht eine E-Mail aus und wir kommen dann auf die Leute zurück.

Das ist natürlich ein sehr direkter Kontakt und ein großer Gewinn für die Surf Community! Sprechen wir über konkrete Probleme, mit denen Surfer*innen zu tun haben. Du bist Unfallchirurg und Orthopäde und daher Experte für Verletzungen und überlastungsbedingte Beschwerden am Bewegungsapparat. Beides ist auch für Surfer*innen relevant. Als erstes spricht man meistens über Verletzungen – wie häufig sind überhaupt Verletzungen? 

Ulf Schlierenkämper: Man muss natürlich sagen, dass Wellenreiten insgesamt eher eine verletzungsarme Sportart ist. Verletzungen beim Surfen sind selten, wobei man zwischen dem Freizeit- und dem Wettkampfbereich unterscheiden muss. Bei uns Freizeitsurfern stehen in der Regel leichte Verletzungen im Vordergrund: Ob es jetzt Prellungen des Brustkorbs durch das eigene Brett, Schnitt- und Schürfwunden oder Blutergüsse und Quetschungen sind – oberflächliche Verletzungen treten am häufigsten auf. Ernsthaftere Verletzungen, sprich der Sehnen und Bänder, kommen dann erst an zweiter oder dritter Stelle.

Bleiben wir kurz bei Wunden. An Land kann man eine Wunde trocken halten. Wir Surfer*innen wissen allerdings nur zu gut: Im Salzwasser heilen Wunden nicht so gut. Hast du irgendwelche Tipps, wie man die Wunde trocken halten und was man sonst noch tun kann?

Ulf Schlierenkämper: Das ist interessanterweise eine Frage, die immer wieder aufkommt und es gibt keine einheitliche Antwort dazu. Das Beste wäre aus dem Wasser zu bleiben – aber das ist sicherlich die schlechteste Option, wenn man seinen Jahresurlaub oder sein Jahresgehalt gespart hat und irgendwo in Indonesien ist. Die klassische Variante ist, dass man versucht die Wunde immer wieder mit einer Desinfektionslösung wie Betadine zu desinfizieren. Optimal ist es, die Wunde zu reinigen und trocken zu halten. Gegebenenfalls kann man die Wunde auch verschließen. Bezüglich Limettensaft und prophylaktischer Antibiotikagabe gehen die Meinungen auseinander. Ich denke man muss vor Ort abwägen, was die sinnvollste Variante ist.

Wie hast du selbst schon Wunden verschlossen beziehungsweise abgedichtet?

Ulf Schlierenkämper: Ich habe schon Wunden mit dem klassischen Sekundenkleber verschlossen, weil ich nichts anderes hatte. Das war aber in der Regel nicht von Erfolg gekrönt, weil sich einfach alles aufgelöst hat. Ich lasse die Wunde dann offen und spüle sehr häufig. Und auch wenn es vielleicht nicht die ärztlichste Antwort ist: Kleine Schnittverletzungen versuche ich nach dem Surfen sauber zu machen und auf dem Land zu desinfizieren – und ansonsten im Surfurlaub soviel wie möglich aufs Wasser zu kommen.

Ich finde das ist durchaus eine ärztliche und vor allem praktische Antwort. Wenn man eine Wunde hat, bei welchen Warnzeichen sollte man spätestens zu einer Ärztin oder einem Arzt gehen?

Ulf Schlierenkämper: Das ist wie bei jeder Wunde, unabhängig ob man Surfer ist oder nicht, wenn die Verletzung sehr stark blutetnässt oder eitert, wenn man in der Umgebung einen starken Druckschmerz oder eine Schwellung hat, wenn Taubheit auftritt oder die betroffene Region sogar dunkelrot oder schwarz wird. Das sind alles Alarmzeichen, die zeigen: Jetzt nicht mehr ins Wasser, sondern jemanden aufsuchen, der sich damit auskennt.

Rapid Surfer in der Surfanlage Langenfeld. Der Surfmedizin e.V. beschäftigt sich auch mit dem Rapid Surfen.
Der Surfmedizin e.V. beschäftig sich mit Verletzungen bei verschiedenen Wassersportarten – auch das Rapid Surfen gehört dazu.
Foto: Deutscher Wellenreitverband

Du hattest es eben schon angedeutet: Neben oberflächlichen Verletzungen gibt es auch schwerere Verletzung. Was denkst du, ist die gefährlichste Verletzung beim Surfen?

Ulf Schlierenkämper: Ich denke die Gehirnerschütterung. Große Welle, Kopf gegen das Brett oder auf das Riff – das kann unter Umständen sehr schnell lebensbedrohlich werden. Denn im Wasser besteht auch bei einer kurzen Bewusstlosigkeit oder Desorientierung die Gefahr zu ertrinken.

In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll über Vorbeugung zu sprechen. Wie kann man sich als Surfer*in vorbereiten und was kann man auf dem Surf Trip tun, um das Risiko für Verletzungen weiter zu reduzieren?

Ulf Schlierenkämper: Das A und O ist sicherlich eine gute Vorbereitung. Man sollte nicht erwarten, dass man irgendwo hinfliegt nachdem man sich das ganze Jahr nicht bewegt hat und dann von null auf hundert Leistung abrufen kann abrufen zu können. Daher sollte man sich fit halten und ein möglichst surfspezifisches Training machen. Das können zum Beispiel Paddeln und Schwimmen, Atemübungen oder Balanceübungen sein. Und auch wenn die Verlockung sehr groß ist sollte man bei Langstreckenreisen nicht sofort ins Wasser springen, sondern sich erstmal akklimatisieren. Die Zeit kann man nutzen, um zu schauen was einen erwartet: Wie sieht der Spot unter Wasser aus? Ist es voll im line up? Gibt es Strömung?

So sollte man schon viele kleinere Risikofaktoren umschiffen können.

Du hast eben das Thema Training als Vorbereitung aufs Surfen angesprochen. Das ist eine gute Überleitung zu überlastungsbedingten Beschwerden bei Surfern. Wo zwickt es denn bei Surfer*innen besonders häufig?

Ulf Schlierenkämper: Die Klassiker sind die Surferschulter und der untere Rücken. Ich denke das erklärt sich direkt aus den Bewegungen, die wir machen. Das eine ist das Paddeln – eine Position, die durch das Überstrecken des Oberkörpers anders ist als beim Schwimmen und die Schultern belasten kann. Und das andere ist das ständige Stabilisieren im unteren Rücken, beziehungsweise das Hohlkreuz beim Liegen auf dem Brett, was eben auch keine alltägliche Belastung ist. 

Warum kommt es zu Beschwerden im Bereich des unteren Rückens und der Schultern und was kann man als Surfer*in tun, damit es gar nicht erst zu solchen Beschwerden kommt?

Ulf Schlierenkämper: Fangen wir bei der Schulter an. Man muss sagen, dass die Schulter ein sehr komplexes Gelenk ist, an dessen Funktion viele Muskeln und Sehnen beteiligt sind. Bei der klassischen Paddelbewegung hat man nicht nur die Rotation, also das Schwingen des Armes, sondern man schiebt und zieht auch Wasser. Dadurch belasten wir Muskeln, die im Alltag sonst nicht so sehr gefordert werden. Deswegen ist es sehr wichtig, der Schulter in der Off-Season etwas Gutes zu tun, um chronischen Schmerzen vorzubeugen. Man sollte dafür die Schulter durch Übungen zentrieren und eine gute Außen- und Innenrotationsfähigkeit trainieren. Wichtig ist dabei, die kleinen Muskeln der Schulter ausgewogen zu stärken.

Und was kann man für den unteren Rücken tun?

Ulf Schlierenkämper: Da ist es eher wichtig eine gewisse Haltearbeit leisten zu können. Deshalb sind Stabilisierungsübungen sinnvoll. Während es bei der Schulter eher um die Mobilität und eine gute Muskelführung geht, ist beim unteren Rücken die Stabilität besonders wichtig. Da helfen zum Beispiel Übungen aus dem Yoga oder physiotherapeutische Übungen mit dem Pezi-Ball.

Dem Yoga können viele Surfer*innen zum Glück ja auch etwas abgewinnen. Kommen wir zu einem ganz anderen Thema: Kannst du uns zu deiner letzten guten Session mitnehmen?

Ulf Schlierenkämper: Aus diversen Gründen und insbesondere wegen Corona war ich letztes Jahr gar nicht auf dem Wasser. Aber meine letzten richtig guten Wellen waren ganz klassisch in Frankreich in Moliets Plage. Wie gesagt, seit ich klein bin war ich da fast jedes Jahr und es fühlt sich wie mein Home Spot an. Da hatte ich bisher die schönsten Erlebnisse. Im Herbst gibt es perfekte Tage – wenn die Camps weg sind und man weiß wo man hinmuss, hat man unter Umständen auch noch sehr einsame Sessions. 

Ich denke mit diesem schönen Bild vom perfekten französischen Beachbreak im goldenen Herbst können wir das Gespräch so langsam beenden. Vielen Dank, dass du uns so viele Tipps gegeben und den Surfmedizin e.V. vorgestellt hast. Und vielen Dank, dass ihr vom Surfmedizin e.V. soviel Aufwand betreibt, um Surfer*innen eine Anlaufstelle für Verletzungen und Beschwerden am Bewegungsapparat zu bieten.

Ulf Schlierenkämper: Sehr gerne. Wir sind ein Team mit einer Menge Leute, die an dem Projekt beteiligt sind. Jeder ist herzlich eingeladen Mitglied zu werden.

Ich bin gespannt wo es mit dem Surfmedizin e.V. hingeht. Vielen Dank Ulf für das Gespräch und bis bald!

Ulf Schlierenkämper: Danke dir Constantin für die Möglichkeit den Verein hier vorzustellen. 

Dieser Beitrag behandelt ein Gesundheitsthema und dient allein der Informationsvermittlung. Er darf nicht zur Selbstdiagnose verwendet werden und ersetzt in keiner Weise die individuelle Diagnose und Therapieempfehlung durch einen Arzt. Bitte beachte auch den Gesundheits- und Rechtshinweis und suche bei Gesundheitsproblemen immer einen Arzt auf.